European Narcolepsy Days – Interessante Inhalte einiger ausgewählter Vorträge (Teil 1)

Im November 2022 war das Narkolepsie-Netzwerk unter den Teilnehmern der European Narcolepsy Days in Bologna/Italien.

In dieser 2-tägigen jährlichen Veranstaltung präsentieren Spezialistinnen und Spezialisten in der Diagnostik, Behandlung und Forschung der Narkolepsie in Vorträgen Neues im Bereich der Erkrankung.

 

 

“Veränderungen über den Schlaf hinaus- was ist charakteristisch für die Narkolepsie” ( Originaltitel des Vortrags: “Alterations beyond sleep, what is specific for narcolepsy?”) von Professor Gert Jan Lammers beschäftigte sich nicht mit den Symptomen von Narkolepsie, die allgemein bekannt sind, sondern denen, die Narkolepsie Betroffene nur zu gut kennen, aber die selten in der Behandlung beachtet werden.

 

DIE WICHTIGSTEN AUSSAGEN DER PRÄSENTATION:

Das Vorliegen der Hauptsymptome der Narkolepsie Tagesschläfrigkeit, Kataplexien, hypnagoge Halluzinationen, Schlaflähmungen und gestörter Nachtschlaf sind zwar wichtig für die Diagnosestellung – aber nicht ausreichend, um Patienten gut zu behandeln!

Trotz Medikamente sind die Patienten im täglichen Leben weiter eingeschränkt. Über 80% erbringen keine für sie selbst zufriedenstellende Leistung in der Arbeit/ Schule/ Familie. Über 60 % schaffen es nicht mehr, Haushalt, Kochen, etc. wie zuvor zu erledigen.

Folgende Begleitumstände können bei Narkolepsie ebenfalls auftreten und entstehen nicht, so Professor Lammers, wie häufig angenommen durch Nebenwirkungen der Medikation, sondern durch die Erkrankung selbst und sind möglicherweise auch schon vor der Diagnose vorhanden:

  • gestörte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit
  • Fatigue
  • Übergewicht
  • Angstzustände
  • Depression
  • Störung des autonomen Nervensystems
  • Antriebsarmut/ Apathie

Das Hypocretinsystem (Hypocretin=Orexin) im Gehirn, welches bei Betroffenen von Narkolepsie Typ 1 gestört ist, wirkt nicht nur auf die Schlaf-Wach-Regulation, sondern auch auf andere Funktionen ein. Insbesondere spielt es auch bei der Regulation anderer Neurotransmitter (z.B. Noradrenalin, Serotonin, Histamin) eine Rolle. Diese Bereiche sind demzufolge ebenso durch den Hypocretinmangel betroffen.

Anpassungen des eigenen Verhaltens und des Lebensstils helfen, zwar das fehlende Hypocretin teilweise zu kompensieren. Die oben genannten Begleitsymptome werden jedoch oft nicht abgefragt und tauchen in Tests größtenteils nicht auf.

Professor Lammers stellte auch die Frage in den Raum, ob die Beeinträchtigung der anhaltenden Aufmerksamkeit/ Kognition (dazu zählen u. a. Wahrnehmung, Gedächtnis, Sprache, Denken und Problemlösung) wirklich außerhalb der Hauptsymptome der Narkolepsie bzw. unabhängig von der exzessiven Tagesschläfrigkeit zu sehen ist.

Eine solche Annahme hält er für ein sich beständig haltendes Missverständinis. Diese Symptomatik wird bei von Narkolepsie Betroffenen hauptsächlich von exzessiver Tagesschläfrigkeit hervorgerufen. Eine zusätzliche AD(H)S- Begleiterkrankung kommt nur selten vor.

Das Anliegen Lammers lautet aufgrund seiner Erkenntnisse, dass Ärzte daher ihren Fokus nicht nur auf die Hauptsymptome und deren Häufigkeit richten, sondern auch folgende Bereich im Gespräch erfragen sollten:

  • Wie gelingt das tägliche Leben für den Patienten mit der Erkrankung
  • Welche Einschränkungen bewirken welche Symptome auf das Leben?
  • Wie ist das psychische Wohlbefinden?
  • Wie sieht es mit dem sozialen Leben aus?
  • Wie ist die Lebensperspektive?